Zeitspuren - HAWOLI
In der Galerie Vom Zufall und vom Glück vom 1.1.2007 bis zum 4.2.2007
Kritik von flaneur:
Die Natur im Zeitalter ihrer technischen Realisierbarkeit.
Wer in Hannover kennt sie nicht, die drei roten, drehbaren „Schrauben“ auf dem Georgsplatz? Zu Beginn der 1970er Jahre wurde diese Arbeit des Bildhauers HAWOLI im Rahmen des „Straßenkunstprogramms“ der Stadt Hannover angekauft. Ganz anders als die kreischroten Kunststoffplastiken sind die neueren Arbeiten HAWOLIs beschaffen, die die Galerie vom Zufall und vom Glück zeigt.
„Zeitspuren“ nennt er seine aktuelle Ausstellung – und den Spuren der Zeit geht er mittels verschiedener Technik auf den Grund. Der Bildhauer HAWOLI bannt Steinbrüche mittels Fototechnik auf Büttenpapier. So erfasst er gleich mehrere „Zeitalter“: die im Stein enthaltenen Millionen Jahre Erdgeschichte, die von den Steinbrucharbeitern aufgewendete Bearbeitungszeit, die Belichtungszeit der Kamera und den Zeitaufwand für den künstlerischen Fotoabzug.
Aber nicht nur um die Zeit in ihren Ausprägungen und Erscheinungsformen geht es in dieser Ausstellung. Es geht auch um das Verhältnis von Kunst, Natur und Künstler. Denn scheinbar nachlässig hat HAWOLI den Pinselduktus vom Aufstreichen der Foto-Emulsion stehen lassen. So erhalten nicht nur die Fotografien eine malerische Note, der Künstler verewigt zudem seinen eigenen kreativen Akt und gibt so gewissermaßen zu verstehen, dass er nicht nur den Auslöser betätigt hat.
In der Nachfolge von Duchamp erklärt HAWOLI damit das Werk der Natur und der Steinbrucharbeiter zum eigentlichen Kunstwerk. Sich selbst nimmt er dabei jedoch nicht völlig zurück. Durch die besondere Technik – Fotoemulsion auf Bütten – schaltet sich der Künstler zwischen Objekt und Betrachter und macht damit das Artifizielle dieser Arbeiten deutlich.
Der Natur mit des Menschen Hilfe zur wahren Schönheit und Bestimmung zu verhelfen –diesen klassischen Kunst-, Kultur und Zivilisationsanspruch kritisiert HAWOLI mit leiser Ironie. Eine der wenigen in der Ausstellung gezeigten bildhauerischen Arbeiten, es handelt sich um eine von Korten-Stahl gerahmte Schieferplatte, trägt den Titel: „Die Natur im Zeitalter ihrer technischen Realisierbarkeit.“ Der Mensch realisiert die Natur. Und HAWOLI zeigt die unbeabsichtigte Schönheit dieses Prozesses. Denn die gezeigten Kunstwerke sind in erster Linie nichts anderes als Abfallprodukte der Steinbrucharbeiter. Erst im zweiten Schritt veredelt sie der Künstler qua Gestus. Zugegebenermaßen eindrucksvolle Abfallprodukte: Spuren gewaltiger Fresen in Abbruchkanten, geschichtete Basaltsäulen, gestapelte Steinblöcke... Ästhetik, die es lohnt, hervorgehoben zu werden.
Gleichwohl vermag HAWOLI es nicht, uns die auratische Ausstrahlung der Steinbruchwände zu vermitteln. Dazu sind Fotografien, worauf uns Walter Benjamin bereits hinwies, nicht in der Lage – auch die besonderen Bütten-Fotos HAWOLIs nicht.
Diesem Umstand trägt der Künstler Rechnung, in dem er uns leibhaftige Marmorplatten präsentiert. HAWOLI hat Marmorplatten zu zwei bildhauerischen Arbeiten aufgeschichtet und aufgestellt. Auch diese gewaltigen Steinplatten sind mittels Fotoemulsion mit Schwarzweiß-Fotografien versehen. Man erkennt auf der einen Arbeit eine amphibische Landschaft (Wattenmeer?), auf der anderen verschiedene Ansichten aus einem Steinbruch, u.a. den Abbau des Steins.
Mit diesen beiden Arbeiten weist uns der Künstler mit dem Zaunpfahl und etwas Effekt heischend auf seinen Anspruch hin, verschiedene „Zeitspuren“ aufgedeckt und erzeugt zu haben. Nicht nur die Foto-Emulsion ist hier etwas dick aufgetragen. Diese Arbeiten sollen uns Staunen machen, sie fordern unsere „Aha“-Rufe heraus. Der Bildhauer HAWOLI wollte es sich nicht nehmen lassen, einige „wirklich“ bildhauerische Arbeiten zu präsentieren. In ihrer Dominanz nehmen sie leider den zarten Fotoarbeiten die Luft zum atmen. Für diese Ausstellung hätte es weniger Stein vielleicht auch getan.
Kritik von Trainer:
Bereits in den Schaufenstern der Galerie sind große Farbfotos von Steinbrüchen zu sehen. Dieses Motiv zieht sich dann auch durch die gesamte Ausstellung. Die meisten Werke sind jedoch Fotos von Steinbrüchen in Graustufen oder in stärkeren schwarzweiß Kontrasten auf Büttenpapier. Der Künstler hat mit dem Pinsel die Chemikalien, die für eine Belichtung notwendig sind, auf Büttenpapier aufgetragen. Dadurch entsteht ein Eindruck zwischen Fotografie, Grafik und Malerei.
Eine dritte Werkgruppe sind Objekte beziehungsweise Plastiken, Schieferstücke von Stahlgestellen gehalten oder Marmorplatten. Die Marmorplatten sind teilweise ebenfalls mit Chemikalien behandelt und als Fotobildträger verwendet worden. So sind zum Beispiel bei einer Arbeit einige Marmorplatten hintereinander aufgereiht in einem Stahlgestell zu sehen. Auf den Marmorplatten ist mit Hilfe von schwarzweiß Fotografie abgebildet, woher die Marmorplatten stammen und wie sie aus dem Steinbruch herausgeholt wurden. Es ist in einer Reihung der Entstehungsprozess der Marmorplatten dokumentiert, die hier zu sehen sind. Die letzte Marmorplatte in der Reihe zeigt keine Abbildung. Das gesamte Objekt verweist damit auf sich selbst als Kunstwerk und gleichzeitig wird die Natur als Kunst präsentiert.
In dieser Arbeit wird deutlich, wie stark der Prozess für den Künstler im Vordergrund steht. Ein Prozess über eine lange Zeit sorgte dafür, dass Natursteine wie Schiefer und Marmor entstehen, und ein kreativer Prozess ist nötig, dass die Kunst entsteht, die hier von HAWOLI vorgestellt wird.
HAWOLI bringt die Prozesse der Natur mit den Herstellungsprozessen von Künstlern in Zusammenhang und stellt dabei die Technik heraus. Einerseits die künstlerische Technik, andererseits eine maschinelle Technik.
Für diese Kunst werden weniger die handwerklichen Fähigkeiten eines Menschen benötigt, wie zum Beispiel bei der Erstellung von Marmorskulpturen mit Meißel. Diese Werke erfordern die Kreativität eines Menschen und dann die Hilfe von Maschinen, die verwendet werden, um Stahl oder Marmorplatten zu erstellen. Weiterhin werden Chemikalien und Belichtungsapparate für den fotografischen Bildauftrag verwendet.
HAWOLI ist kein Konzeptkünstler. Das Material ist für ihn ein wichtiger Inhalt der Kunst und die Natur ist ein wiederkehrendes Thema in seinem Gesamtwerk. Deshalb könnte HAWOLI den Sparten Minimal Art oder Landart zugeordnet werden. Die Werke sind aber immer zwischen den verschiedenen Kunstrichtungen und deshalb nicht wirklich einzuordnen.
Die Arbeiten zeigen eine persönliche Handschrift. Er pinselt die lichtempfindlichen Chemikalien auf das Büttenpapier, er arbeitet mit unterschiedlichen Kontraststärken und Helligkeiten in den Fotografien und so entsteht je nach Betrachtungsweise der Eindruck, dass es sich hier um Malerei, Grafik, Zeichnung oder Fotografie handelt.
Auch im Außenraum sind Kunstwerke von HAWOLI zu finden, die aus verschiedenen Materialien entstanden sind: Eine große Gruppe von Werken besteht aus Stein und Stahl. Die maschinell erzeugten klaren Formen treten in Kontrast zu den natürlich entstandenen Oberflächenmustern und Abbruchkanten der Steine.
Eine weitere Werkgruppe besteht aus Kunststoff. So zum Beispiel die roten Polyestersäulen auf dem Georgsplatz Hannover (erstellt 1971). Hier kommt auch noch die Bewegung mit hinzu, da sich die Segmente der Säulen drehen lassen. Ein vielseitiger Künstler mit einem sensiblen Gespür für Material.
HAWOLI im Web
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