Freitag, 29. Dezember 2006

Home, home again - Franz Ackermann

In der Kestnergesellschaft vom 24.11.2006 bis zum 28.1.2007

Kritik von flaneur:

Franz Ackermann ist Maler. Allerdings ein Maler, der seine Gemälde in den Kontext großer Rauminstallationen stellt. Grundlage seiner Gemälde sind „mental maps“, Aquarelle und Zeichnungen, die er während weiter Reisen von seinen Zielorten erstellt. Dabei handelt es sich keinesfalls um Abbildungen der Orte, sondern um das Aufgreifen und die künstlerische Umsetzung architektonischer Formen und sozialräumlicher Aspekte. Auf Basis dieser Skizzen entstehen – oft erst vor Ort - großformatige, grellbunte Gemälde, in die Ackermann Ereignisse und Fragen aktuellen Zeitgeschehens oder auch ortstypische Besonderheiten des Ausstellungsortes einflicht. In Hannover präsentiert Ackermann zwei Installationen:

Home, home again, 2006
Die Tür der kleineren der beiden oberen Hallen der Kestnergesellschaft hat Ackermann durch ein neues hölzernes Portal verstellt. Von der Decke dieses Eingangs prangen billige Alltagsgegenstände – Flaschen und Schüsseln. Beim Betreten der Halle durch die neuen Seitentüren bleibt der Blick an Serie von Fotografien hängen, die einen Fries entlang der Wände der Halle bilden. Die Fotografien zeigen jeweils ein Hochhaus – Hotels? Bettenburgen an südlichen Ferienorten? Ihre Namen bleiben ungenannt. Manche Fotos hat der Künstler mit einem Fadenkreuz versehen.
Weiter führt der Blick zu einer Wand-Bodeninstallation. Vor dem Gemälde „City-Planning 6: Epicentre“ lagern auf einer Plattform mehrere stählerne Transportkäfige, leere Kanister und stapelweise Kataloge verschiedener Ferienorte und Reisegesellschaften. Die Plattform ist mit einem Gewirr roter Linien versehen.
Dieses alles gibt den Rahmen für insgesamt sieben großformatige und grellbunte Gemälde, die alle den Oberbegriff „City-Plannings“ tragen. Die Bildwelt der Gemälde scheint explodiert zu sein. Mühsam sucht der Betrachter im knallbunten Chaos nach bekannten Formen - und identifiziert scheinbar wild durcheinander gewürfelte Architekturfragmente, überdimensional große Alltagsgegenstände, Flugzeugteile, Baumkronen, Swimmingpools, Armbanduhren...

Kein Kunstwerk aus der Ausstellung - Montage von TrainerAckermann wäre ein schlechter Künstler, würde er uns die Deutung auf dem Tablett servieren. Bedeuten Fadenkreuze auf Hotelburgen eine militante Tourismuskritik? Verweisen leere Kanister auf die Ausbeutung immer knapper werdender Ressourcen im Zeichen des Massentourismus’? Stehen geöffnete Transportkäfige für einen entfesselten, globalisierten Kapitalismus? Unterstreicht die explodierte Formenwelt auf Ackermanns Gemälden diese kritische Interpretation? Oder legt im Gegenteil die Dekonstruktion der Formen die Veränderbarkeit der aktuellen Verhältnisse nahe? Die Interpretation bleibt letztlich offen.

23 Gespenster, 2006
Eindringlicher, beklemmender begegnet uns die Installation in der größeren der beiden Hallen. Hier finden wir uns in einer Raum greifenden Installation wieder, in der die Gemälde eine scheinbar untergeordnete Rolle einnehmen. In dem opulenten Rahmen bedürfen sie einer besonderen Präsentation, um auf sich aufmerksam zu machen. Als kreisrunde, beidseitig bemalte Scheiben kreisen sie, auf Stäben montiert, um ihre eigene Achse.
Den Blickfang des Raumes bildet ein riesiger leerer Käfig. Um ihn herum angeordnet sind mehrere kleine Motorboote, deckenhohe künstliche Palmen, deren Stämme von Sandsäcken geschützt werden, und ein Billardtisch samt Kugeln und Queues. Die Szenerie vervollständigen Berge von Altkleidern, die über den gesamten Raum verteilt sind sowie ein riesiger Kronleuchter, der einer Diskokugel ähnlich den Raum in unwirkliches rötliches Licht taucht.

Dass Ackermann sich hier aktuell auf die afrikanischen „boat people“ bezieht, verlautete bereits in Presseberichten. Die Installation könnte eindrucksvoller kaum sein: ein leerer Käfig, der auf Gefängnis oder Flucht verweist; Kleider, die an die An- oder Abwesenheit von Menschen (oder an Strandgut?) erinnern; winzige Boote als Verweis auf die überfüllten „Nussschalen“ der Flüchtlinge; geknickte Palmen als Hinweis auf die beschädigte Natur; der Billardtisch als Verweis auf (Un-)Glück und Zufall im Spiel (oder auf die „große Politik“ am „grünen Tisch?“), die künstliche rote Beleuchtung (Sonnenauf– oder untergang?) – als Bild für Hoffnung oder Niedergang... Und inmitten dieses großartigen Chaos’ drehen sich wie Spiegel Ackermanns Bilder, auf denen das Chaos keineswegs geringer ausfällt.

Ackermann betreibt hier großen Aufwand, um einen aktuellen Kontext für seine Gemälde herzustellen. Oder ist es umgekehrt: Stellen die Bilder den Rahmen für den hier angedeuteten inhaltlichen Zusammenhang? Beides ist richtig: Bilder wie Installation deuten Zustände und Probleme an. Sie geben gegenseitig Hinweise zu ihrer jeweiligen Deutung. Sie bleiben dabei offen, rätselhaft und anregend genug für eine Vielzahl an Bezügen und Interpretationen.
Der interessierte, nachdenkliche und sinnlich ansprechbare Besucher dürfte in dieser Ausstellung auf jeden Fall auf seine Kosten kommen.

Einen guten Überblick über die Kunst von Franz Ackermann gibt ein Interview, dass Jan Winkelmann 2002 mit ihm geführt hat. www.jnwnklmnn.de/ackerman.htm

Kritik von Trainer:

Leider habe ich kurz vor dem Besuch der Ausstellung die Sendung „Bilderstreit“ gesehen und darin wurde bereits ein wenig über Franz Ackermann und seine Installationen in der kestnergesellschaft gesprochen, deshalb habe ich die Kunst nicht ganz unvoreingenommen betrachtet. Eine weitere Informationsquelle waren ein Infoblatt und ein gesprächiger Aufpasser in der Ausstellung.

Der Künstler reist viel in der Welt herum. Die Eindrücke werden zunächst als Mindmaps von ihm aufgezeichnet. Ackermanns Mindmaps zeigen Inseln und viele Verbindungen zwischen diesen Inseln. Für die Bilder und Gegenstände in den Installationen hätte der Künstler aber wahrscheinlich nicht weit reisen müssen. Die Informationen, die hier in der Kunst verarbeitet wurden, sind bei uns auch in allen Zeitungen zu finden: Armut, Hunger, Flüchtlingsschicksale und Massentourismus.

Installation „home, home again“: Plastikmüll lugt im Eingangsbereich durch die Decke, Reisekataloge liegen haufenweise auf einem Podest, Wasser- oder Benzinkanister stehen verteilt rechts im Raum und Wasserleitungen sind etwas wahllos über die Kanister gelegt. Fotos von Hotels hängen an der Wand, darauf sind Fadenkreuze gezeichnet, als wären die Gebäude Ziele von Terroristen. Auf grellfarbenen, großformatig gemalten Bildern tauchen wieder touristische Zeichen wie Hotels, Swimmingpool und Flugzeug auf.

Installation „23 Gespenster“: Ein großer leerer Käfig, Boote, Palmen, Reisekataloge, ein Poolbillardtisch, Fernseher die Leuchtreklamen an Gebäuden zeigen, Drehscheiben, Scheinwerfer.

Eine redselige Kunst mit dutzenden von Querverweisen. Passend zu den ersten Plänen des Künstlers, die er sich auf seinen zahlreichen Reisen in Hotelzimmern als Mindmaps erstellt, sind in der kestnergesellschaft Installationen entstanden, die verschiedene Assoziationen in einem Raum zusammenbringen und dem Betrachtenden viele Interpretationsmöglichkeiten offen lassen.

Negativ ist das Wiederholen der Informationen, welche in allen Medien bereits mehrfach behandelt und besprochen wurden. Ob in Zeitungen, Zeitschriften, Radio oder Fernsehen spielt dabei nicht die Rolle, aber die Probleme sind bekannt und deshalb fragt sich der Betrachtende warum dies im Kunstzusammenhang gezeigt werden muss. Möchte Ackermann hier mit einer politischen Botschaft arbeiten?

Kein Kunstwerk aus der Ausstellung - Montage von TrainerAls positives Beispiel für gelungene Kunst können die Installationen gedeutet werden, wenn die Probleme nicht als Themen betrachtet werden, sondern die Zusammenhänge und Verknüpfungen als Thema betrachtet werden. Als eine Art von Metaebene könnte man den Standpunkt einnehmen, dass der eigentliche Inhalt die Verbindungen zwischen den verschiedenen Themen sind. Wie sind die Probleme Massentourismus und zunehmende Umweltverschmutzung miteinander verknüpft? Gibt es Zusammenhänge zwischen den Flüchtlingen aus Afrika und den Flüchtlingen aus der DDR? In einigen Bildern werden die Verbindungen mit dünnen Strichen wie Strahlen aus einem Punkt heraus gezeigt. So ist auch einsehbar, dass das Reisen für den Künstler notwendig ist. Wenn es um mehr als nur die Informationen geht, die wir auch aus den Medien herausarbeiten könnten. Ihm geht es offenbar auch um das Erfahren der tatsächlichen Zusammenhänge. Selbst wenn die Zusammenhänge nicht endgültig zu entschlüsseln sind, kann doch nur vor Ort eine Verbindung gesehen werden, wenn es eine gibt. Und nur mit der Erfahrung ist eine Darstellung dieser Zusammenhänge möglich. Ohne dabei den Anspruch zu erheben, alles erklären zu können.

Leider aber wird bei der praktischen Umsetzung zu sehr nach einer formal ansprechenden Darstellung gesucht und weniger nach einer überzeugenden künstlerischen Form, die diesem Inhalt dann auch gerecht wird. Hier wären reine Mindmaps besser als riesige Installationen.

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